Die im Konjunkturpaket vorgesehene Mehrwertsteuersenkung soll die Wirtschaft ankurbeln, stellt Unternehmen aber erst einmal vor bürokratische Hürden.
Ein Überblick, worauf Unternehmer jetzt achten müssen – und Praxistipps, wie Fallstricke umgangen werden können.
Der Koalitionsausschuss hat sich am 3. Juni 2020 auf eines der umfangreichsten Konjunkturpakete in der Geschichte Deutschlands verständigt. Dieses Papier, das die Wirtschaft in Deutschland ankurbeln und viele Unternehmen vor dem Ruin retten soll, kostet den Staat üppige 130 Milliarden Euro. Einer der größten Posten ist die Mehrwertsteuersenkung. Dadurch fließen dem Staat vom 1. Juli bis Ende Dezember 2020 rund 20 Milliarden weniger Steuern zu.
Mehrwertsteuersenkung: Ab wann, wie viel und wer profitiert?
Die angekündigte Mehrwertsteuersenkung aufgrund der Corona-Krise war tatsächlich eine Überraschung in dem vom Koalitionsausschuss beschlossenen Konjunktur- und Zukunftspaket. Hier die wichtigsten Eckdaten:
Ab wann?
Die Mehrwertsteuersenkung ist zeitlich begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020. Sollte diese Idee zur gewünschten Kauflaune in Deutschland sorgen und damit die Wirtschaft ordentlich ankurbeln, ist es durchaus denkbar, dass die Mehrwertsteuersenkung auch über den Jahreswechsel hinaus beibehalten wird.
Wie viel?
Die Mehrwertsteuersenkung des Konjunkturpakets - in Zahlen ausgedrückt - bedeutet Folgendes: Der reguläre Umsatzsteuersatz mindert sich ab dem 1. Juli 2020 von derzeit 19 Prozent auf 16 Prozent. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz wird von sieben Prozent auf fünf Prozent sinken.
Wer profitiert?
Von der Mehrwertsteuersenkung sollen Privatleute und Unternehmer gleichermaßen profitieren. Und das sieht so aus: Die Mehrwertsteuer (= Umsatzsteuer) bezahlen grundsätzlich nur die privaten Endverbraucher. Die Bundesregierung erhofft sich, dass Unternehmen die geminderte Mehrwertsteuer über Preissenkungen 1:1 an die Privatkunden weitergeben. Dadurch soll sich eine höhere Nachfrage nach den billigeren Waren und Dienstleistungen ergeben. Das wiederum würde zu höheren Umsätzen und Unternehmensgewinnen führen und hoffentlich viele Unternehmen vor dem Ruin retten, die wegen der Corona-Krise finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen.
Praxis-Tipp: Es gibt natürlich noch einen dritten Profiteur. Nämlich den Staat selbst. Klar, nimmt er im Rahmen der Mehrwertsteuersenkung erst mal 20 Milliarden Euro in die Hand. Doch durch die Ankurbelung der Umsätze kommen im Gegenzug in Zukunft wieder höhere Steuern beim Staat an und staatliche Hilfen aufgrund der Corona-Krise können runtergefahren werden.
Auswirkung der Mehrwertsteuersenkung auf Gutscheinverkauf
Die Corona-Krise macht erfinderisch. Viele Unternehmer sind deshalb auf den Trend aufgesprungen und verkaufen derzeit Gutscheine an ihre Kunden. Das bringt Geld in die derzeit klammen Kassen der Betriebe. Doch aufgepasst: Handelt es sich bei den verkauften Gutscheinen um so genannte "Einzweckgutscheine" nach § 3 Abs. 14 UStG, wird bereits beim Gutscheinverkauf Umsatzsteuer fällig, derzeit also 19 Prozent Umsatzsteuer. Löst der Kunde den Gutschein dann nach dem 30. Juni 2020 ein, weist die Rechnung allerdings nur noch 16 Prozent Umsatzsteuer aus (Umsatzsteuersatz nach Mehrwertsteuersenkung).
Folge: Sie, als Unternehmer, müssen eine Umsatzsteuerberichtigung vornehmen, um die zu viel ans Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer wieder erstattet zu bekommen. Sie sollten deshalb bis Ende Juni 2020 nur noch so genannte Mehrzweckgutscheine nach § 3 Abs. 15 UStG verkaufen. Bei diesen Gutscheinen wird die Umsatzsteuer erst dann zur Zahlung ans Finanzamt fällig, wenn der Kunde den gekauften Gutschein einlöst.
Praxis-Tipp: Damit Sie aufgrund der Mehrwertsteuersenkung allzu großen bürokratischen Aufwand (= Umsatzsteuerberichtigung) vermeiden, sollten Sie wie gesagt, bis Ende Juni besser "Mehrzweckgutscheine" verkaufen. Das sind Gutscheine, bei denen sich der Kunde bei Einlösung des Gutscheins am gesamten Waren- und Dienstleistungssortiment bedienen kann und bei denen im Zeitpunkt des Verkaufs noch nicht genau feststeht, in welcher Höhe Umsatzsteuer fällig wird.
Auswirkung der Mehrwertsteuersenkung auf Anzahlungen
Bei Anzahlungen für Leistungen, die erst ab dem 1. Juli 2020 erbracht werden, sind auch Berichtigungen bei der Umsatzsteuer und beim Vorsteuerabzug vorzunehmen, weil der Umsatzsteuersatz in der Anzahlungsrechnung ja 19 Prozent oder sieben Prozent beträgt. Je nachdem, ob Sie eine Anzahlung vor dem 1. Juli 2020 geleistet oder erhalten haben, gilt Folgendes:
Geleistete Anzahlung: Haben Sie vor dem 1. Juli 2020 eine Anzahlung geleistet und dafür eine Vorsteuererstattung in Höhe der 19-prozentigen Umsatzsteuer erhalten und die Rechnung über die nach dem 1. Juli 2020 erbrachten Leistungen weist nur 16 Prozent aus, müssen Sie eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG durchführen. Sie müssen die zu viel erhaltene Vorsteuererstattung also ans Finanzamt zurückzahlen.
Erhaltene Anzahlung: Haben Sie aus einer erhaltenen Anzahlung 19 Prozent Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt und die Leistung wird erst ab dem 1. Juli 2020 erbracht, müssen Sie die Umsatzsteuer aus der Anzahlung berichtigen. Sprich, Sie bekommen die zu viel bezahlte Umsatzsteuer erstattet.
Praxis-Tipp: Zur Berichtigung der Vorsteuer und Umsatzsteuer aufgrund der Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli 2020 wird zeitnah ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums mit Übergangsregelungen und Vereinfachungsregelungen erwartet. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.
Anpassung der Kassensoftware wegen der Mehrwertsteuersenkung
Achten Sie darauf, dass Sie bei Einsatz einer elektronischen Registrierkasse in Ihrem Betrieb, eine Anpassung an den Kasseneinstellungen vornehmen. Denn nur so ist gewährleistet, dass bei Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf den ausgegebenen Rechnungen und im Kassen- und Buchhaltungssystem der richtige (gesenkte) Umsatzsteuersatz ausgewiesen und berücksichtigt wird.
Praxis-Tipp: Hier empfiehlt es sich, das Gespräch mit dem Kassenhersteller und mit dem Steuerberater zu führen. So kann sichergestellt werden, dass die neuen Umsatzsteuersätze nach der Mehrwertsteuersenkung von 16 Prozent und fünf Prozent ab 1. Juli 2020 zur Anwendung kommen.
Auswirkung der Mehrwertsteuersenkung auf Gastronomie
Vor einigen Wochen beschloss die Bundesregierung bereits, dass Gastronomiebetriebe vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 für vor Ort verzehrte Speisen generell nur noch den ermäßigten Umsatzsteuersatz ausweisen müssen. Durch die Mehrwertsteuersenkung werden für vor Ort verzehrte Speisen und für mitgenommen Speisen nur noch fünf Prozent Umsatzsteuer fällig. Wichtig: Diese Steuererleichterungen gelten nur für Speisen und nicht für Getränke. Für Getränke wird nach wie vor der Regelsteuersatz – ab 1. Juli 2020 im Rahmen der Mehrwertsteuersenkung dann eben 16 Prozent Umsatzsteuer – fällig.
in Teilen von Bernhard Köstler übernommen